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Neue Orte der Arbeit: Coworking Spaces im ländlichen Raum

Dez 8, 2021 | Blog-Post

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von Tobias Kremkau

Vor über 16 Jahren entstanden die ersten Coworking Spaces, wie wir sie heutzutage kennen. Orte, an denen Menschen zusammen gearbeitet haben, gab es aber auch schon vorher. So gesehen hat die Coworking-Idee viele Mütter und Väter. Neu an Coworking Spaces war die Möglichkeit, aufgrund neuer Technologien wie dem WLAN, sich den Ort der Arbeit flexibel auszusuchen. Dies führte dazu, dass Menschen von ihren Lieblingsorten aus arbeiten konnten, dort auf Gleichgesinnte trafen und sich Communities entwickelten.

Parallel zu den Entwicklungen in den Großstädten gründeten sich auch die ersten Coworking Spaces auf dem Land. Doch erst in den letzten drei Jahren trat hierzulande eine Entwicklung auf, die von einer breiten Gründungsdynamik zeugt. Bundesweit entstanden und entstehen noch, auch als eine Folge der Corona-Pandemie, Coworking Spaces im ländlichen Raum und in Kleinstädten. Coworking ist schon lange nicht mehr nur eine neue Entwicklung in den Metropolen, sondern auch  eine Realität in ländlichen Regionen.

In der Ende 2020 erschienen Bertelsmann-Studie »Coworking im ländlichen Raum«, die von Autor:innen der am Mosaca-Projekt beteiligten CoWorkLand e.G. verfasst wurde, lässt sich der aktuelle Stand dieser noch jungen Entwicklung ablesen. Zum ersten Mal wurde das Thema Coworking im ländlichen Raum, in mehr als 200 qualitativen Einzelinterviews mit Betreiber:innen, Nutzer:innen und Expert:innen, ausgehend wissenschaftlich untersucht. Dadurch wurden sieben verschiedene Coworking-Betriebsmodelle auf dem Land entdeckt.

Verschiedene Betriebsmodelle möglich

Den klassischen Coworking Space, wie es ihn auch in den Zentren der Metropolen gibt, findet man ebenfalls in ländlichen Regionen und in Kleinstädten. Dieser ist auf dem Land oft kleiner als in der Stadt, jedoch werden die gleichen Produkte – Einzelmitgliedschaften, Teamräume und Eventflächen – angeboten. Die Community ist divers, vor allem Kreative und Selbstständige nutzen diese Orte. Dies ist ein Unterschied zum Pendlerhafen, der zwar die gleiche Infrastruktur hat, aber hauptsächlich durch Festangestellte genutzt wird.

Diese beiden Orte sind professionelle Angebote an eine definierte Zielgruppe. Ein anderer Ansatz stellt der Bottom Hub dar, der von Nutzer:innen aufgrund ihrer eigenen Bedürfnisse im Kleinen entwickelt wird und sich mit einer wachsenden Community an Mitstreiter:innen entwickelt. Ganz ähnlich wie das Neue Dorfzentrum, nur dass dabei nicht einzelne Akteure das Coworking-Angebot prägen, sondern bestehende Netzwerke und Organisationen, die sich multifunktionale Räume erschaffen und dann auch gemeinsam nutzen.

Zwei andere Betriebsmodelle suchen ihre Nutzer:innen nicht vor Ort, sondern sind mit einem touristischen Konzept für Gäste von woanders gedacht. Dies ist zum einen das Retreat, das vor allem von Teams genutzt wird, die nach einem Tapetenwechsel für ihre Workshops suchen. Sie befinden sich oft im sprichwörtlichen Grünen und bieten den Gästen meist auch noch ein Freizeitangebot an. Zum anderen sind das Workation-Angebote, die sich an einzelne Reisende richten, die gerne von da arbeiten möchten, wo andere Urlaub machen.

Das letzte Betriebsmodell zeigt sich meist als integrierte Wohn- und Arbeitsprojekte. Im ländlichen Raum entstehen vielfältige Gemeinschaftsprojekte, deren meist zugezogenen Bewohner die Grundbedürfnisse von Wohnen und Arbeiten an einem Ort vereinen. Mobiles Arbeiten und neue Lebensentwürfe ermöglichen spannende Projekte – nicht nur für die junge Generation. Dieser Ansatz, bei dem Coworking eine Serviceoption und kein Geschäftsmodell darstellt, wird auch in der Stadt als Teil einer Quartiersplanung gedacht.

Fazit: Es gibt keine Blaupausen!

Es gibt also nicht das eine Coworking-Konzept, das beliebig umgesetzt werden kann. Sowohl der Standort und damit die Bedürfnisse der Menschen vor Ort, als auch die für Coworking vorgesehenen Räumlichkeiten und die Motivation der das Angebot schaffenden Menschen, macht das jeweilige Coworking-Konzept aus. Und diese drei Faktoren sind stets verschieden. Es gibt also keine leicht zu kopierenden Blaupausen. Deshalb muss jedes Coworking-Projekt für sich betrachtet und gestaltet werden, wenn es gelingen soll.

Tobias Kremkau ist Referent für Beratung und Entwicklung in der CoWorkLand eG. Davor war er über fünf Jahre lang Head of Coworking des Berliner Coworking-Pioniers St. Oberholz. Tobias denkt, schreibt, spricht und berät zu den Themen Coworking und Neue Arbeit. Er ist einer der Mitgründer der German Coworking Federation (GCF). 2019 wurde Tobias von der ZEIT als einer der 100 wichtigsten jungen Ostdeutschen genannt.
Beitragsbild: https://unsplash.com/photos/g1Kr4Ozfoac